Prof. Dr. Sabine Döring-Manteuffel
Volkskunde
Universität Augsburg

Das Stundenglas
Lebensrhythmen und Lebensordnungen

Als im Mittelalter, um die Wende vom 13. zum 14. Jahrhundert, den Bürgern der Stadt London als Erste durch eine Uhr mit einem mechanischen Schlagwerk die kommenden Stunden angekündigt wurden, mögen sie irritiert auf die Türme von Westminster Hall geschaut haben, von denen die Schläge ausgingen. Es mag ihnen wohl kaum bewußt gewesen sein, was das für die Zukunft bedeuten würde; doch alsbald schlugen nicht nur von den berühmten Kirchen großer Städte, sondern auch von den Rathäusern in Stadt und Land, Uhren den Stundentakt. Bis dahin hatten die Glocken von den Kirchen zum Gebet gemahnt, aber sie hatten doch nur indirekt den Arbeitsalltag bestimmt. Fortan riefen Uhren jetzt die Menschen zur Kirche und zur Arbeit, und das stündliche Geläut wurde für jedermann, von der Wiege bis zur Bahre, zum prägenden Takt, zum Metronom seiner Existenz. Die Rhythmen des Lebens wurden an dieser Zeitenwende vom Mittelalter zur Frühen Neuzeit neu bestimmt. Alte Ordnungen traten zurück, andere bauten sich auf, und die kommende Epoche schuf sich selbst mehr und mehr eine Lebensordnung, die sich am Schlag und Puls der Zeit orientierte.
Schon bald nach dem ersten Schlag der Kirchturmuhr auf Westminster Hall wurde durch die Erfindung der "Feder" Anfang des 15. Jahrhunderts der Bau tragbarer Uhren möglich, und Takt für Takt drängte sich der mobile Zeitmesser in den Alltag hinein. Martin Luther hatte 1527 eine Uhr geschenkt bekommen, über die er mehr als begeistert gewesen sein soll. Er hatte damals bereits deren Wert und Funktion erkannt.
Sie hießen Halsuhren, Dosenuhren oder Sackuhren. Zunächst zeigten all diese Uhren nur die volle Stunde an, erst gegen Ende des 17. Jahrhunderts wurde auch in Minuten gezählt. Was war das bereits für ein Unterschied zu jenen Tagen, als man zwar die Tageszeiten unterschied und den Sonnenstand beobachtete! Als man aber noch keinen Sinn im Messen der Zeit sehen konnte oder aber am rinnenden Stundenglas, am Verzehren der Kerze nicht nur das Verrinnen der Zeit, sondern auch das Memento Mori, das Gedenken an den Tod mitten im Leben, stets im Gedächtnis hatte. Das Ruhende solle man nicht bewegen: manche Uhr aus dieser Zeit trägt noch einen solchen Spruch auf ihrem Gehäuse und verweist damit in eine Epoche, die vom Gleichmaß stärker angezogen war als von der Veränderung.
Scharfe Kontraste sind das, zwischen der vormodernen Lebensweise, die sich nach keinem künstlichen Zeitmesser richtete, und unserer heutigen, in der man zwar Zeit in Bruchteilen von Sekunden bemessen kann, aber zugleich im Begriff steht, eine Vorstellung von der Ewigkeit zu verlieren. Ich will deshalb an diesem Abend ein paar Worte zu Ihnen sprechen über das Verhältnis von Zeit und Lebensordnung, in der früheren und in der heutigen Welt, über die Gestaltung unserer Lebensrhythmen, und über die Freiheit, sich Zeit zu nehmen, wenn man sie für sich und andere braucht.
Als Volkskundlerin, aber auch aus der eigenen Lebenerfahrung, stehen mir die Rhythmen der bäuerlichen und handwerkerlichen Lebenswelt früherer Tage vor Augen, die sich allmählich zu ändern begannen. Sie waren geprägt von Licht und Dunkelheit und von den Zyklen des Lebens, denen Mensch und Tier gemäß ihrer Natur und ihrer Umwelt unterworfen waren. Die Einrichtungen des Kirchenjahres mit ihrem Festkalender und den lokalen Bräuchen untermauerten diese Zyklen und setzten sie in soziale Zeichen um.
Säe- und Erntetermine oder bestimmte Arbeiten in Haus und Hof richteten sich nach Ordnungsmustern, die heute kaum mehr das Verständnis aufgeklärter Zeitgenossen finden würden. Wenn der Schnee auf den Gräbern lag, ging man mancherorts dazu über, am Flachs zu spinnen, und wenn im Frühjahr zu einem bestimmten Termin die Wallfahrer durchs Dorf zogen, dann war es an der Zeit, die Saat auszubringen.

War die Rhythmisierung der Zeit, die im 16. Jahrhundert einsetzte und nach und nach das ganze Leben bestimmte, auch noch grob, und nach unseren heutigen Maßstäben gemächlich organisiert, so sollte sich das rasch und nachhaltig ändern. Bald trug alle Welt, die es sich leisten konnte, Uhren, Taschenuhren, Pendeluhren, Bauernuhren, Offiziersuhren, Karossenuhren. Das war zuerst bei den Stadtbürgern so. Uhren erschienen auf Türmen, auf Simsen, und seit dem Ende des 17. Jahrhunderts auch auf den Straßen, nämlich an Laternen. Sie belebten den öffentlichen wie den privaten Raum. Von den bürgerlichen Häusern des 17. und 18. Jahrhunderts strahlten sie in guten Zeiten aufs Land aus, und bestimmten mehr und mehr den bäuerlichen Alltag mit. Allmählich gehörten sie zu einer jeden häuslichen Ausstattung dazu, und zeigten den Wohlstand der Familie an, genauso wie Sofas, Ohrensessel, Spiegel, Koffer und Klaviere. Ihre Bildsprache und Ornamentik war zwar einem überlieferten Formenkreis aus Volkskunstmotiven entlehnt, wie etwa die Bienenstockuhr, ihre Funktion aber unterlag dem neuen Wertekanon von Rationalität, Effizienz, Pünktlichkeit und zielgerichtetem Handeln. Auch das zog, so wie es sich die Volksaufklärer des 18. Jahrhunderts erdacht hatten, mit den Uhren in die ländlichen Haushalte ein. Der Blick auf die Uhr wurde zur Gewohnheit, und im saturierten bürgerlichen und bäuerlichen Milieu in den Friedenszeiten des 18. Jahrhunderts zum Zeichen für Behaglichkeit, Ordnung, Wohlstand und redliches Leben.

Doch das blieb nicht immer so behaglich, sondern veränderte ein ganzes Grundgefühl. Alles hat seine Zeit, das mag der Wahlspruch der Menschen Alteuropas gewesen sein, von nun an aber richtete sich das öffentliche und das private Leben danach aus, daß Zeit genommen wurde. In den überlieferten Ordnungen, denen der Schein des Immergleichen anhaftete, setzte das Jahr, die Woche, der Tag ein Räderwerk in Gang, dessen Fixpunkte vorbestimmt waren. Geburt und Tod, deren Sitz im Leben jedermann bewußt waren, wie wir von vielen Bildzeugnissen des Spätmittelalters wissen, markierten Anfang und Ende zyklischer Lebensvollzüge.

Wenn der Tag erwachte, erwachte mit ihm das Leben. So habe ich es noch erfahren auf dem Gutshof, auf dem ich aufgewachsen bin. Noch höre ich deutlich die Geräusche der Morgendämmerung, das rufende Vieh, die Stalltüre, die zwischen der vierten und fünften Stunde der Nacht vernehmlich über den Hof klang. Und noch sehe ich vor mir die Morgenröte des Winters, des Frühjahrs, des Sommers und des Herbstes aufsteigen, und mit ihr ein Bewußtsein von der Arbeit, die der Jahreszeit gemäß vollbracht werden mußte.
Wenn einer starb, ob Mensch oder Tier, dann lag ein dumpfer Ton über uns und unserer bäuerlichen Welt, dann haben wir still gewartet, bis die Seele ihren Frieden fand und der Eintritt in eine andere Welt vollzogen war. Alles lag eng beieinander, Freude neben Leid, und unsere Existenz wurde gestützt durch eine strenge Ordnung aus Wachen und Schlafen, aus Arbeit und freier Zeit. Doch in Wahrheit waren es nur Anmutungen von Beständigkeit, denn mit den Motoren und Maschinen, und den Konzepten rationeller Betriebsführung in der Landwirtschaft schwand auch diese Ordnung dahin. Den letzten Erntekranz, den letzten Tanz um die Linde, den Sommerabend auf der gelben Holzbank, die jene Linde umfing, all das haben wir Ende der 1960er aus unserem Leben gelöscht. Zunächst hat man gar nicht gemerkt, daß etwas fehlte, denn schön waren die Jahre des Wohlstandes, des Fortschritts, der Sicherheit in einer Welt, in der es alles zu kaufen gab, durchaus, aber deren Rhythmen immer nervöser, immer ungemütlicher wurden. Der Wohlstand und die Sicherheit, sie haben vor allem auch der älteren Generation gefallen, welche die Wirtschaftskrisen des vergangenen Jahrhunderts erlebt und zudem noch ein genaues Bild im Kopf und im Herzen trugen von den beiden Kriegen, die so viel Angst und Unsicherheit verbreitet hatten. Unmerklich aber deuteten sich die Schattenseiten der Preisgabe überlieferter Ordnungen an, indem das Leben sich zerstreute und nach ungewohnten Takten zu schlagen begann.

Das hatten bereits die Gesellschaftskritiker des beginnenden Maschinenzeitalters, des 19. Jahrhunderts, erkannt und eindringlich vor den Folgen gewarnt. Das hatten auch die aufmerksamen Beobachter zu Beginn des 20. Jahrhunderts bemerkt, und vor allem für die Großstädte der Zwanziger Jahre beschrieben. So war das ganze Jahrhundert benommen von dem rasanten Tempo und dem Veränderungsdruck, der auf den Generationen in einem nie gekannten Ausmaß lastete und ihnen die natürliche Lebensfreude nahm. In welcher Weise dies sich in den Gemütserregungen der Zeitgenossen widerspiegelte, mag ein Lied zum Ausdruck bringen, das Marlene Dietrich 1930 unter der Begleitung von Friedrich Holländer gesungen hat. Es heißt darin:

Wenn ich mir was wünschen dürfte,
käm ich in Verlegenheit
was ich mir denn wünschen sollte,
eine schlimme oder gute Zeit.
Wenn ich mir was wünschen dürfte,
möcht ich etwas glücklich sein
denn wenn ich gar zu glücklich wär,
hätt ich Heimweh nach dem Traurigsein.

Die schlimmen Zeiten, in denen die Menschen Heimweh nach dem Glücklichsein hatten, waren nach dem Kriege überwunden. Doch unsere heutigen Lebensformen und Lebensrhythmen machen es vor allem der nachwachsenden Generation schwer, Orte und Ordnungen zu erkennen, in denen sie sich Zuhause fühlen, die ihnen Schutz und Geleit durch das Leben bieten. Wir erfahren das oft in unserer Arbeit als Hochschullehrer, aber auch im Freundeskreis oder in der eigenen Familie.

Wenn ich deshalb abschließend noch ein paar Worte zu Ihnen spreche über die Gestaltung unserer Lebensrhythmen und die Freiheit, sich Zeit zu nehmen, wenn man sie für sich und andere braucht, dann geschieht das vor dem beschriebenen historischen Hintergrund. Lebensordnungen waren immer auch Zeitordnungen; nie waren die Menschen wirklich frei von den Sorgen der Sicherung der Existenz und den Bedingungen, die ihnen ihre Umwelt auferlegte. Aber seit den ersten Schlägen der Uhren von Westminster Hall am Ausgang des Mittelalters werden die Zeit, und der unruhige Blick auf die Uhr immer mehr zum Zuchtmeister unserer auf Gewinn und Effizienz ausgerichteten Lebensweise. Was die eine Stunde verweigert, gibt die nächste, diesen Sinnspruch findet man ebenfalls auf alten Uhren, und er soll uns daran gemahnen, mit Augenmaß und Geduld auf den Fluß des Lebens zu achten, in dem nicht Dinge und materielle Werte, sondern Lebewesen die wichtigste Rolle spielen sollten. Unsere Freiheit besteht darin, über die Stunde hinauszublicken und unsere Lebensrhythmen so zu gestalten, daß sie sowohl den Anforderungen unseres Alltages, als auch den Menschen um uns herum gerecht werden.

Prof. Dr. Bernd Oberdorfer
Evangelische Theologie
Universität Augsburg

"Hunde, wollt ihr ewig leben?"

"Kerls, wollt ihr denn ewig leben?" Wenn ein Oberbefehlshaber seinen aus der Schlacht fliehenden Soldaten dies zuruft, dann kann es in seinen Augen nur eine Antwort geben: "Nein, natürlich nicht!" Der Preußenkönig Friedrich der Große, von dem das Wort stammt[1] (die Fassung "Hunde, wollt ihr ewig leben?" entsprach seinem Sprachgebrauch übrigens kaum, sie entstand denn auch erst in den fünfziger Jahren des 20. Jahrhunderts, als Titel eines deutschen Spielfilms über die Schlacht von Stalingrad[2] ), Friedrich der Große also erhoffte sich davon gewiss eine motivierende Wirkung auf seine vor der Übermacht der Gegner zurückweichende Truppen. Übrigens erfolglos; die Schlacht bei Kolin am 18. Juni 1757 endete mit der ersten Niederlage des siegverwöhnten Kriegsherrn im von ihm angezettelten später sog. "Siebenjährigen Krieg". Ob das daran lag, dass der so geartete Versuch, die Leute anzufeuern, motivationspsychologisch vielleicht nicht ganz unanfechtbar ist? Dies muss uns hier nicht beschäftigen. Viel interessanter ist die Frage, wie der König überhaupt darauf kam anzunehmen, dass dieser Zuruf die Stimmung der Soldaten wenden könnte.
"Kerls, wollt ihr denn ewig leben?" Dieser gespielt entsetzte Ausruf ist natürlich pure Rhetorik. Es ist sinnlos, dass ihr davon lauft; denn sterben müsst ihr ohnehin - wenn nicht heute, dann morgen oder an irgend einem Tag in näherer oder fernerer Zukunft. Der Wunsch, ewig leben zu wollen, ist ungefähr so sinnvoll wie der, an mehreren Orten gleichzeitig physisch präsent sein zu können - es wäre vielleicht manchmal ganz praktisch, ist aber völlig unrealistisch. Es ist eine infantile Allmachtsphantasie. Endlichkeit gehört zur Signatur kreatürlicher Existenz, und wer das leugnet, macht sich Illusionen über sich selbst und die eigenen Seinsperspektiven. Wer bei rechtem Verstand ist, kann bei dieser Lage der Dinge wirklich nicht ernsthaft ewig leben wollen. Wenn das aber so ist, dann ist es im Prinzip völlig gleichgültig, ob meines Lebens Spanne heute oder erst in etlichen Jahrzehnten abgelaufen sein wird. Also, Kerls: Zurück in die Schlacht!
"Kerls, wollt ihr denn ewig leben?" Seien wir froh, dass der "Alte Fritz" kein besonders frommer Mann war. Denn sonst müssten wir damit rechnen, dass er seinen Zuruf auch ganz anders gemeint haben könnte. "Kerls, wollt ihr nicht ewig leben?" Das wäre dann eine Art Sirenengesang, um die Soldaten in den ‚Heldentod' zu locken. Die erwartete Antwort auf diese Frage könnte nur lauten: "Ja, natürlich will ich!" Der Preußenkönig stünde damit in einer langen Tradition, die auch nach ihm nicht abriss. Der selbst- und bedingungslose Einsatz fürs Vaterland sichert unvergänglichen Ruhm und ewiges Leben. "Dulce et decorum est pro patria mori", dichtete schon der Römer Horaz, "süß und geziemend ist's, fürs Vaterland zu sterben", und Generationen von Gymnasiasten hatten diesen Satz staatstragend auszulegen, tunlichst in Zusammenhang mit dem Wort Jesu: "Niemand hat größere Liebe als die, dass er sein Leben lässt für seine Freunde" (Joh 15,13). Was ist schon der irdische Tod angesichts der bevorstehenden himmlischen Herrlichkeit? Und ist nicht auch in dieser Perspektive die Frage, ob mein Leben früher oder später endet, im Prinzip völlig gleichgültig, wenn auf mich doch ein endloses, ewiges Leben in Glückseligkeit bei Gott wartet? Schreibt nicht Paulus: "Ich halte dafür, dass dieser Zeit Leiden der Herrlichkeit nicht wert sei, die an uns soll offenbart werden" (Rm 8,18)?
Es ehrt König Friedrich, dass er darauf verzichtet, die Vision himmlischer Glückseligkeit zu instrumentalisieren für seine höchst irdischen politisch-militärischen Ziele. Dass er es bei dem realistischen Hinweis auf die Endlichkeit der Lebenszeit belässt, mit der als Faktum sich jeder Mensch arrangieren muss, ob er nun an ein Jenseits glaubt oder nicht. Dies entspricht auch durchaus den sonstigen Überzeugungen Friedrichs. "Jeder soll nach seiner Façon selig werden" - solange er nur seine Untertanenpflichten erfüllt. "Räsonniert, so viel ihr wollt, und worüber ihr wollt; nur gehorcht!" - diesen Satz Friedrichs hat Immanuel Kant in den höchsten Tönen gelobt[3] und gerade darin eine höchst aufgeklärte Haltung erkannt, weshalb er denn auch das "Zeitalter der Aufklärung" als "das Jahrhundert Friederichs" bezeichnet[4] . Die religiöse Hoffnung auf ein ewiges Leben erscheint in dieser Perspektive gewissermaßen als ein Überbauphänomen, als Ausdruck einer privaten Weltanschauung, als individueller Versuch, mit dem harten Faktum der Endlichkeit der eigenen Existenz irgendwie fertig zu werden, und die Obrigkeit hat sich dafür nicht zu interessieren, solange aus einer solchen Hoffnung nicht irgend ein sozial unerwünschtes Verhalten entsteht.
Nun müssen wir uns heute Abend nicht darauf beschränken, die als solche hoch respektable Perspektive eines aufgeklärten Politikers einzunehmen, der wir die grandiose Errungenschaft der Religionsfreiheit verdanken. Wir können uns der religiösen Frage selbst zuwenden: Welchen Sinn hat es, auf ein ewiges Leben zu hoffen? Hat es überhaupt einen Sinn? Man könnte ja sagen: Die Hoffnung auf ein Jenseits verdirbt das Diesseits. Wer sein Vertrauen darauf setzt, dass nach dem Tod noch etwas kommt, entwertet das Leben vor dem Tod. Übersieht das Glück der Gegenwart, weil angeblich eine sehr viel glanzvollere Zukunft bevorsteht. Vertrödelt die unwiederholbare Intensität des Augenblicks, weil er meint, unendlich viel Zeit zu haben. Macht es sich leicht mit seiner ethischen Verantwortung, weil er sich und andere auf einen Ausgleich für die erlittene Not, auf ein besseres Leben im Jenseits vertrösten kann. Nicht umsonst wollte der Religionskritiker Ludwig Feuerbach im 19. Jahrhundert aus Anhängern des Jenseits Verehrer des Diesseits machen.
Ohne Zweifel hat das Christentum immer wieder Tendenzen zur Entwertung der irdischen Existenz im Namen des ewigen Lebens gefördert. Der große evangelische Theologe Friedrich Schleiermacher hat freilich schon am Ende des 18. Jahrhunderts darauf hingewiesen, dass die Güte von Gottes erster Schöpfung geleugnet wäre, wenn man die ganze Hoffnung auf eine endzeitliche Neuschöpfung setzen wollte. [5] Indes kann keine Rede davon sein, dass die christliche Tradition in jeder Hinsicht dem irdischen Leben im Namen des ewigen Lebens die Würde hätte rauben wollen. Die Aussicht, dass jeder Mensch sich dermaleinst vor Gott für das wird verantworten müssen, was er in diesem Leben getan hat, und dass dabei die endgültige Entscheidung über seine Existenz fallen wird, gibt dem irdischen Leben ja gerade eine ewige Bedeutung, eine Bedeutung für die Ewigkeit. Ausgerechnet die Aussicht auf die Ewigkeit gibt der Zeit also ein besonderes Gewicht. Natürlich schließt das nicht aus, sondern ein, dass nicht die irdische Existenz als solche, sondern nur eine bestimmte Lebensführung in Ewigkeit Bestand hat, eine Lebensführung, zu der auch der Verzicht auf unmittelbare Bedürfnisbefriedigung gehören kann.
Allerdings war es derselbe Schleiermacher, der im Namen der Religion die Hoffnung auf individuelle Unsterblichkeit scharf kritisierte. "Was aber die Unsterblichkeit betrifft", schrieb er in seinen berühmten "Reden über die Religion an die Gebildeten unter ihren Verächtern" [6] , "so kann ich nicht [ver]bergen, die Art, wie die meisten Menschen sie nehmen und ihre Sehnsucht darnach ist ganz irreligiös, dem Geist der Religion gerade zuwider. (...) sie (...) sträuben sich gegen das Unendliche, sie wollen nicht hinaus, sie wollen nichts sein als sie selbst, und sind ängstlich besorgt um ihre Individualität." Sie "wollen nicht einmal die einzige [= einzigartige] Gelegenheit ergreifen, die ihnen der Tod darbietet, um über [ihre] Menschheit hinauszukommen; sie sind bange wie sie sie mitnehmen werden jenseits dieser Welt und streben höchstens nach weiteren Augen und beßeren Gliedmaßen." Hoffnung auf individuelle Unsterblichkeit ist also für Schleiermacher ein irreligiöser Egoismus, ist der Wunsch, sich festzuhalten, obwohl das Heil doch darin besteht, sich loszulassen, die "scharf abgeschnittnen Umriße unserer Persönlichkeit" zu erweitern und "sich allmählich (zu) verlieren" in die unendliche Fülle des Universums. Und Schleiermacher rät deshalb: "Versucht doch aus Liebe zum Universum Euer Leben aufzugeben. Strebt darnach schon hier Eure Individualität zu vernichten, und im Einen und Allen zu leben, strebt darnach mehr zu sein als Ihr selbst, damit Ihr wenig verliert, wenn Ihr Euch verliert", und er schließt mit dem emphatischen Ausruf: "Mitten in der Endlichkeit Eins werden mit dem Unendlichen und ewig sein in einem Augenblik, das ist die Unsterblichkeit der Religion."
"Kerls, wollt ihr denn ewig leben?" - folgen wir Schleiermacher, dann ist auf diese Frage eindeutig mit Nein zu antworten, jedenfalls wenn an eine wie auch immer geartete zeitliche Zukunft gedacht ist. Unser irdisches Leben können wir ohnehin nicht festhalten, und an der Hoffnung auf eine möglicherweise perfektionierte Fortsetzung unserer Existenz im Jenseits sollen wir uns nicht festhalten, weil wir dadurch den Sinn der Religion verfehlen, die uns von uns selbst befreien und uns unseres Eingebundenseins in das Ganze der Wirklichkeit gewiss machen soll. Dieses Eingebundensein ist bereits in der Gegenwart unüberbietbar erfahrbar, und diese Erfahrung wird von dem Übergang aus dem Leben in den Tod überhaupt nicht tangiert. Wer so glaubt, kann mit Paulus sprechen: "Ich bin gewiss, dass weder Tod noch Leben, weder Engel noch Fürstentümer noch Gewalten, weder Gegenwärtiges noch Zukünftiges, weder Hohes noch Tiefes noch irgendeine andere Kreatur uns scheiden kann von der Liebe Gottes, die in Christus Jesus ist, unserem Herrn" (Rm 8,38f).
Aber lassen sich die Hoffnungen auf ein ewiges Leben so ohne weiteres als egoistische Wünsche von Leuten denunzieren, die sich nicht abfinden wollen mit der Tatsache, dass es sie einmal nicht mehr geben wird, und die in der durchaus anfechtbaren Gewissheit leben, die Güte der Schöpfung müsse sich darin erweisen, dass sie in Ewigkeit nicht untergehen? Und ist eine sozusagen abgespeckte ‚Unsterblichkeit im Augenblick' tatsächlich alles, was wir guten Gewissens festhalten dürften von den vielfältigen Hoffnungen auf eine endgeschichtliche Vollendung, wie sie in der Menschheitsgeschichte in großer Buntheit und Disparatheit entwickelt worden sind? Ich meine: Nein. Es gehört zum Wesen des Menschen, dass er über seine Grenzen hinaus fragt. Und es gehört zur Würde des Menschen, dass er sich nicht abfindet mit den Unvollkommenheiten dieser Welt. Und es gehört zumindest zum christlichen Glauben das Vertrauen, dass Gott die Welt, die er geschaffen hat, nicht in all ihrer Erbärmlichkeit sich selbst überlässt, sondern sie ihrer Vollendung entgegen führt. Und warum sollte es uns Menschen verboten sein, Bilder der Vollendung zu entwerfen, Bilder, die antworten auf Erfahrungen des Mangels und des Leidens, Bilder aber auch, die Erfahrungen des Glücks und des Gelingens festhalten und dem Wunsch nach ihrem Dauern Ausdruck verleihen? Warum sollte es als solches schon Zeichen großer Frömmigkeit sein, wenn wir etwa den Schmerz über das durch den Tod abgerissene Gespräch mit unseren Nächsten einfach hinnehmen, ohne uns die Hoffnung auf ein Wiedersehen zu erlauben? Und ist es wirklich Ausdruck höchsten Gottvertrauens, wenn wir uns abfinden mit der Ungerechtigkeit in einer Welt, in der es - wie schon die Psalmisten wussten[7] - den Frevlern und Egoisten häufig so ersichtlich gut geht, während der Anständige "täglich geplagt" ist? Kein Geringerer als Immanuel Kant hielt die Vorstellung, dass dies das letzte Wort sein könnte, für moralisch schlechterdings unerträglich. So gewiss es eine egoistisch-maßlose Gier nach Ewigkeit gibt, die nur auf gesteigerten Genuss aus ist, so gewiss gibt es einen Verzicht auf Vollendungshoffnung, der nur scheinbar fromm ist, in Wirklichkeit aber nur Resignation und Trägheit fromm bemäntelt. Lassen wir uns die Träume vom Gelingen nicht verbieten, weder vom empiristischen Realismus der Religionskritiker noch vom resignativen Realismus der Frommen - und auch nicht von den Dogmatikern eines neuzeitlichen Wirklichkeitsverständnisses, die genau wissen, was ein moderner Christ heute noch glauben darf und was nicht.
Natürlich gibt es da viel Wildwuchs. Die Versuchung ist groß, sich den "neuen Himmel und die neue Erde" so vorzustellen, dass dort alles, was wir hier als angenehm empfinden, noch viel angenehmer sein wird, während das Unangenehme fortfällt. Doch schon sobald wir uns fragen, ob wir noch dieselben Personen wären, wenn alles Unglück, das wir erlebt, alle Fehler, die wir gemacht, alle Anfechtungen, die wir durchlitten haben, aus unserer Biographie getilgt wären, wird das Fragwürdige eines derart klinisch reinen ewigen Lebens deutlich. In einer schönen Anekdote wird erzählt, wie der große Schweizer Theologe Karl Barth nach einem Gemeindevortrag von einer älteren frommen Dame gefragt wird: "Herr Professor, werden wir dermaleinst unsere Lieben wiedersehen?", und der "Herr Professor" antwortet: "Ja gewiss - aber auch die Anderen!" Andererseits erscheint die Vorstellung wenig attraktiv, dass uns auch im ewigen Leben das nachfolgen, ja verfolgen wird, was uns jetzt das Leben schwer macht. In einem wenig bekannten Theaterstück von Max Frisch namens "Triptychon" gibt es eine Szene[8] , da begegnet in einer Art Hades ein Vater, der jung gestorben ist, seinem als Greis gestorbenen Sohn. Beide sind im Alter ihres Todeszeitpunkts, erkennen sich deshalb erst am gemeinsamen Namen. Sobald sie sich jedoch erkannt haben, fallen sie sofort in die vertrauten Verhaltensmuster zurück: Der jugendliche Vater meint dem rüstigen Greis, der sein Sohn ist, das Angeln erklären zu müssen, aber immer in dem Gestus: "Du wirst es ja doch nie richtig lernen." Und der Sohn lässt sich das bieten. Im Tod bleibt alles gleich, es kommt nichts Neues hinzu, das ist die trostlose Botschaft. Es gibt kein neues, klärendes, versöhnendes Gespräch zwischen den Toten, das ein neues Licht auf die Geschichte ihrer Beziehung würfe. Sie wiederholen nur die alten Worte und Konstellationen. Schöne Aussichten ...
Versteht man angesichts dessen Schleiermachers höhnische Bemerkung über die, die sich selbst ins Jenseits mitnehmen wollen, nicht besser? Ich denke zwar, dass es essentiell zur christlichen Hoffnung gehört, dass ich mich im ewigen Leben als mich selber wissen werde (das ewige Leben ist kein Nirwana). Gewiss hat Schleiermacher aber zumindest in der Hinsicht Recht, dass es nicht in unserer Macht steht, ein vollständiges und in sich schlüssiges Bild der endzeitlichen Vollendung und unseres Seins darin zu entwerfen. Ewiges Leben ist in einem radikalen Sinn geschenktes Leben, und deswegen ist der erste Satz aller christlichen Eschatologie das Psalmwort (Ps 37,5): "Befiehl dem Herrn deine Wege; er wird's wohl machen!" Dennoch gehört es zu unserem Menschsein, Bilder der Vollendung zu imaginieren. Alle Ansätze zu einem solchen Bild müssen in irgend einer Form Kontinuität und Diskontinuität zum jetzigen Leben, Identität und Veränderung miteinander verbinden. Es muss etwas gleich bleiben, und es muss etwas anders werden, wenn auf der einen Seite das Verschwinden im gestaltlosen Nirwana, auf der anderen Seite die Frisch'sche Hölle des Immergleichen vermieden werden soll. Ich wage dafür einmal den Begriff: Ewiges Leben ist versöhntes Leben.
Nach christlicher Überzeugung ist die Hoffnung auf ewiges Leben in Botschaft, Wirken und Geschick Jesu verankert und verbürgt, und die Gestalt des ewigen Lebens ist in seiner Auferstehung vorabgebildet. Der Auferstandene ist derselbe, und doch ganz anders. Er lebt, und trägt doch die Wundmale seines Kreuzestodes. Das Kreuz ist Teil seines ewigen Lebens geworden, nicht im Sinne einer sadistisch-masochistischen Verewigung des Leidens, sondern zum Zeichen der ewigen Gültigkeit seines Versöhnungswerkes - für uns, um unseretwillen, uns zugute. Ewiges Leben ist im Kern neues Leben in der Gemeinschaft des Auferstandenen, versöhntes Leben in der Gemeinschaft mit dem Versöhner, Leben, in dem das alte Leben im besten Sinne aufgehoben ist.
"Kerls, wollt ihr etwa ewig leben?" Der "Alte Fritz" bekam auf diese Frage übrigens eine wohlverdiente Antwort, die ihn schnell auf den Boden der Tatsachen zurück brachte. Die ihn beiläufig lehrte, dass es ein Leben vor dem Tod gibt, und dass es keineswegs gleichgültig ist, ob es ein gutes oder ein schlechtes Leben, ein kurzes oder ein langes Leben ist. Dass also die Spanne unserer irdischen Zeit ein eigenes Recht, eine eigene Würde hat. "Kerls, wollt ihr etwa ewig leben?" Trocken erwiderte einer der müde aus der Schlacht zurückkehrenden Soldaten: "Bei dem Sold ist's für heute genug!" [9] Dem ist nichts hinzuzufügen.

[1] Vgl. Winfried Hofmann, "Flegels haben Wir genung im lande". Friedrich der Große in Zeugnissen, Berichten und Anekdoten, Frankfurt (M) / Berlin 1986, 168. Nach Duden, Bd. 12: Zitate und Aussprüche, Mannheim etc. 1998, 231, lautet das Wort sogar: "Ihr verdammten Kerls, wollt ihr denn ewig leben?"
[2] Vgl. Duden, Bd. 12, a.a.O., 230f. Der Film kam 1958 in die Kinos.
[3] Immanuel Kant, Beantwortung der Frage: Was ist Aufklärung? (1784), in: ders., Wer-ke in zehn Bänden, hg. von Wilhelm Weischedel, Bd. 9, Darmstadt 1983, 53-61, hier: 55 und 61.
[4] A.a.O., 55.
[5] Vgl. Friedrich Schleiermacher, Über den Werth des Lebens, in: ders., Kritische Ge-samtausgabe, Bd. I/1: Jugendschriften 1787-1796, hg. von Günter Meckenstock, Berlin / New York 1984, 421: "Alle ihre Freuden erklären sie nun für falsche Freuden und das Leben selbst für ein Thal des Jammers und der Thränen und sie meinen noch, dass sie Gott einen Dienst damit thun, und sich selbst ein Loblied damit singen. Soll es das Lob des höchsten Wesens erhöhn, oder die Erwartung auf die künftige Welt, die wir von sei-ner schöpferischen Hand erwarten, spannen, und auf ihren Genuß vorbereiten, wenn alles erniedrigt wird, was hier anzutreffen ist? Wer glaubt wol einem Künstler bei einem Ken-ner einen Dienst damit zu leisten, wenn er ein schönes Werk desselben unwürdig herabsezt, bloß weil er hoft ein noch schöneres von ihm vorzeigen zu können?" Vgl. dazu Bernd Oberdorfer, Geselligkeit und Realisierung von Sittlichkeit. Die Theorieentwick-lung Friedrich Schleiermachers bis 1799, Berlin / New York 1995, 358f.
[6] Die folgenden Zitate aus: Friedrich Schleiermacher, Über die Religion. Reden an die Gebildeten unter ihren Verächtern. 1. Aufl. Berlin 1799, 130-133. Zitiert nach: ders., Kritische Gesamtausgabe. Bd. I/: Schriften aus der Berliner Zeit 1796-1799, hg. von Günter Meckenstock, Berlin / New York 1984, 246f; Orthographie und Zeichensetzung im Original.
[7] Vgl. etwa Ps 73.
[8] Vgl. Max Frisch, Triptychon. Drei szenische Bilder, Frankfurt (M) 1981, 31-100: Das zweite Bild.
[9] Wörtlich: "Für dreizehn Pfennig wars für heute genug!" (Hofmann, Flegels, a.a.O., 168).

 
  Prof. Dr. Johannes Masing
Jura
Universität Augsburg

Feste im Leben - fest im Leben

Liebe Festgemeinde!
Stehen Sie fest im Leben? Haben Sie Weihnachten voll im Griff, die wesentlichen Vorbereitungen getroffen? Oder stehen Sie so fest im Leben, daß Sie daran noch gar nicht denken konnten? So fest, daß Sie sich ein Fest eigentlich gar nicht leisten können?
"Fest im Leben" - ein merkwürdiger Schreibfehler in der Ankündigung. Meine Überlegungen sollen eigentlich den Festen im Leben gelten, der Bedeutung des Festtags. Die scheinbare Irreführung erweist sich aber bei näherem Bedenken als richtiger Hinweis, fast als Vorwegnahme des Ganzen: Erst durch das Fest stehen wir fest im Leben - weil nur im Fest die Zeit ihren verfestigenden Zugriff des Alltags lockert.

Also Fest und Leben. Was kann ein Jurist, ein Staatsrechtler zumal, dazu schon sagen? Nun gut, Juristen haben für alles Gesetze. Auch für die Feste: Es gibt sogar im Grundgesetz eine Bestimmung zum Sonn- und Feiertag und im übrigen ein ganzes Feiertagsgesetz. Aber das Fest im Leben? - In der Tat führt die Verbürgung des Festes das Staatsrecht an seine Grenzen: Denn mit dem Fest institutionalisiert der Staat in rechtlicher Form ein im Kern religiöses Anliegen - und das, obwohl der moderne Staat doch gerade kein christlicher und kein religiöser Staat mehr ist. Er kann es deshalb nur um den Preis der Veräußerlichung und Säkularisierung. Um des Festes selbst willen kann er niemandem vorschreiben, daß am Feiertag besonderes gelten soll. Auch nicht durch Mehrheitsbeschluß. Der neuzeitliche Staat muß das Fest funktional, als Zweck rechtfertigen - und damit an seinem inhaltlichen Kern eigentlich vorbeigehen. Gerade dieser Grenzbereich zeigt aber die Interdependenz von freiheitlichem Staates und Freiheitswahrnehmung durch seine Bürger - und diese Grenzwanderung möchte ich mit Ihnen versuchen.
Der Staat kann nur Möglichkeiten schaffen, kann regeln nur für äußerliche Zwecke. Es liegt dann an uns, diese Möglichkeiten aufzugreifen und mit Inhalt zu füllen, mit Inhalt, der mit den staatlich benannten Zwecken nichts zu tun haben muß, im Gegenteil sich von jeder Verzweckung absetzen kann. Und gerade dadurch erhalten dann paradoxerweise die staatlichen Regelungen erst ihre Kraft und innere Rechtfertigung. Bleiben die Möglichkeiten ungenutzt und die Freiheit leer, wirkt das auf das Recht zurück. Es bekommt eine andere Funktion und verändert alsbald auch die rechtlichen Möglichkeiten und Vorstrukturierungen. Was heute das Feiertagsrecht trägt, ist fraglich geworden. Ablenkung vom Alltagsstreß? Maximierung von lustvollen Alternativaktivitäten zum Beruf? Die Wirtschaft jedenfalls sieht ihre Stunde gekommen: Unterstützt von Behörden mit Maßnahmen, die der Rechtsbeugung gelegentlich nahekommen, sucht man mit Macht den Feiertag der kommerziellen Geschäftigkeit zu öffnen. Besseres Zeitmanagement und mehr Zeit für mehr Konsum - und wäre es nicht praktisch gewesen, wenn Sie heute noch ein paar Weihnachtsgeschenke hätten kaufen können?
Nun gibt es natürlich auch eine ganz weltliche Funktion des Feiertags: Die Arbeitsruhe, die Erholung. Der Mensch braucht schon deshalb Pause, damit sich seine Arbeitskräfte regenerieren. Das ist auch in der heiligen Ordnung der Ökonomie einleuchtend: Sie braucht den Feiertag zur Konditionierung des Produktionsfaktors Humankapital, zur Effizienzsteigerung. Ärgerlich ist in dieser Perspektive nur die Gleichzeitigkeit des Stillstands: Können die Regenerationsphasen nicht liberalisiert werden, so daß sie das Wirtschaftsleben möglichst wenig beeinträchtigen? Vordergründig wird hierdurch sogar ein Freiheitsgewinn reklamiert.
Auch ein säkularer Staat ist auf eine solche ökonomische Reduktion des Feiertags aber nicht verwiesen. In der altmodischen Formulierung von 1918 heißt es im Grundgesetz(1): "Der Sonntag und die staatlich anerkannten Feiertage bleiben als Tage der Arbeitsruhe und der seelischen Erhebung gesetzlich geschützt." Es liegt an uns, ob wir das in unsere moderne Welt noch übersetzen können. Das Recht ist hier auf unsere Kraft verwiesen. Und zwar auf eine religiöse Kraft. Ein "Mehr" als Arbeitsruhe gibt es nur, wenn wir dieses Mehr erfahren. Was ist uns das Fest?
Wir feiern jede Woche ein Fest, das Sonntagsfest. In jüdischer Tradition war der Sabbat der siebte Tag: Der Höhepunkt der Woche, der Tag des Dankes. Später ist der Sonntag in neutestamentarischer Sicht der erste Tag der Woche geworden: Die Auferstehung des Herrn als die Lebenskraft für die ganze Woche. Wir dürfen beides heute in eine kreisförmige Bewegung zusammenziehen: Das Fest als Anfang und Ende der Woche, als Kraftquelle im Gedenken des sich Verdankens. Stellen Sie sich vor, wir hätten keinen Sonntag. Der Zeitfraß würde uns verschlingen. Der Sonntag reißt aus dem Alltag heraus, ist Innehalten im Fluß der Zeit. In ihm eröffnet sich Rückblick und Neuanfang zugleich. Er entläßt den Alltag aus sich heraus und nimmt ihn wieder in sich zurück. Erst durch ihn wird es möglich, den Alltag zu ordnen. Mit dem Sonntagsfest erst finden wir uns in der Zeit zurecht, konstituieren wir uns in der Zeit.
Hierin liegt das Wesen des Festes überhaupt: Es gibt Orientierung. So begehen wir die großen Lebensereignisse als Fest, die unsere Zeit mensurieren: Die Taufe, die Hochzeit und - in der Trauerfeier ? auch der Tod. Viele säkularisierte Feste fügen sich hier ein. Nicht zufällig liegen dabei die großen Kirchenfeste im Jahreskreis parallel zum Zyklus der Jahreszeiten: Das Osterfest, in dem wir das Leben nach dem Tod, die gesamte Lebenskraft des Frühjahrs nach der Kältestarre des Winters feiern. Oder nun das Weihnachtsfest: Die Ankunft des Lichtes in das Dunkel der Welt an den kürzesten Tagen im Jahreskreis. Das Fest ist die Kraft, aus der heraus das Leben seine Ausrichtung erfährt. Das Fest hat damit religiöse Dimension. In ihm liegt Sinngebung und Sinnerfahrung: Es nimmt uns aus der Zeit heraus, ist eine Auszeit - ohne Zweck, für nichts und ganz umsonst. Der Himmel gibt sich in dieser Offenheit als "don du rien", als Geschenk des Nichts (2).

"Es war, als hätt der Himmel
Die Erde still geküßt,
Daß sie im Blütenschimmer
Von ihm nun träumen müßt."

- schreibt Eichendorff in der Mondnacht. Und auch hier wirkt das Fest fort:
"Die Luft ging durch die Felder,
Die Ähren wogten sacht,
Es rauschten leis die Wälder,
So sternklar war die Nacht.
Und meine Seele spannte
Weit ihre Flügel aus,
Flog durch die stillen Lande,
Als flöge sie nach Haus."

Das Fest verheißt der Seele ein Zuhause. Es gibt frische Luft, und belebt die Wälder und Felder. Es verschafft Klarheit. Eine Klarheit, die Sterne erkennen läßt.
Es führt aber auch über diese romantische Interpretation noch hinaus. Im Fest ereignet sich Gemein-schaft: Ein Fest feiert man nicht allein. Es gibt Zeit füreinander - und sprengt so die verzweckten Beziehungen des Alltags. Die Erfahrung der Transzendenz wirkt so auf die Erde zurück: Hören wir dazu Hölderlin (3):

(...)
"Dann feiern das Brautfest Menschen und Götter,
Es feiern die Lebenden all,
Und ausgeglichen
Ist eine Weile das Schicksal
Und die Flüchtlinge suchen die Herberg,
Und süßen Schlummer die Tapfern,
Die Liebenden aber
Sind, was sie waren, sie sind
Zu Hause, wo die Blume sich freuet,
Unschädlicher Glut und die finsteren Bäume
Der Geist umsäuselt, aber die Unversöhnten
Sind umgewandelt und eilen
Die Hände sich ... zu reichen,"
(...)

Das Fest bricht ein in die menschlichen Ordnungen, befreit und öffnet neue Wege. Flüchtlinge finden Heimat, die Tapferen dürfen ihr martialisches Gewand ablegen, die Unversöhnten finden einen Weg zur Versöhnung. Jedes Fest ist so Abglanz des messianischen Festes, von dem wir eben von Jesaja hörten: Der Herr der Heere wird für alle Völker ein Festmahl geben. Er zerreißt auf dem Berg Zion die Hülle, die alle Nationen verhüllt. Er wischt die Tränen ab von jedem Gesicht.
Ein wahrhaftes Fest kann der Mensch nicht machen. Nicht durch die Rechtsordnung, aber auch nicht durch eine soziale oder kulturelle Anstrengung. Das Fest schenkt sich - oder auch nicht. Wir können uns nur in Bereitschaft bringen, in eine Offenheit, ein Hören, das Gestimmtheit eröffnet. So gibt es auch nicht nur eine Form, sondern unendlich viele Formen, in denen wir ein Fest vorbereiten können: Durch Zeremonien und Rituale oder durch bewußten Bruch derselben. In apollinischer Askese oder dionysischer Ekstase, durch Konzentration in Stille oder durch die Macht der Musik. Die transzendente Kraft weist das Fest nicht in den Bereich des Ephemeren. Bei Jesaja wird viel-mehr eine große Vitalität des Festes deutlich: Es ist dort ein "Gelage mit erlesenen Weinen, mit den besten und feinsten Speisen".
Die Unverfügbarkeit des Festes ist freilich zugleich seine größte Gefahr. Unter einem Zugriff, der das Fest zu erzwingen sucht, wird es zur toten Maske. Je mehr die Sehnsucht nach dem Fest das Fest festzubinden sucht, desto mehr entzieht es sich und verformt zur lächerlichen Attrappe. Das Gelage wird zum derben Besäufnis, das Zeremoniell zur hohlen Form, die Musik zu Gefühlsduselei oder leerem Ästhetizismus. Wir sehen diese Gefahr im täglichen Weihnachtskommerz ebenso wie in der Suche nach immer neuen kicks und events. Bernhard Casper, der lange in Augsburg gelehrt hat, schreibt hierzu in seiner Phänomenologie des Festtags: "Wird ... vergessen, daß das Geschehen des Festes in dem Sinn ein symbolisch verweisendes ist, daß es sich als realer Anhalt für den Unendlichen Sinn in der Geschichte schenkt, keineswegs diesen aber finit in einem endlichen Geschehen setzt, dann wird das Fest selbst zur Illusion und zum Idol." (4)
Wenn das Fest also ein Geschenk ist, so bedarf es der Bescheidenheit. Zu einem Wunschzettel ge-hört auch, daß nicht alle Wünsche erfüllt werden. Natürlich ist die Sprache Hölderlins zu groß für das, was wir tatsächlich aufzunehmen vermögen. Sie formuliert eher eine Sehnsucht als eine Reali-tät. Immerhin knüpft sie damit aber doch an unseren Erfahrungen an. Dabei wird nicht jeder Feier-tag zum Fest werden ? und muß es auch nicht. Selbst Weihnachten darf mißraten und wird immer wieder mißraten. Vielleicht ist es oft nicht mehr als die Erinnerung an ein Fest, vielleicht ist es das aber immerhin. Wir können das Fest im Großen wie im Kleinen suchen, mit Hilfe von Kunst und vielleicht auch von Kitsch. Seine eigentliche Voraussetzung bleibt die Offenheit. Vielleicht stellt sich dann das Fest ganz anders ein als erwartet. Daß Gott als unehelicher Abkömmling obdachloser Migranten auf die Welt kommt, im Eselsstall in der Krippe, hatte auch niemand im Festplan vorgesehen.
Ich muß zurück zum Staatsrecht. Das Staatsrecht hat mit der Wirklichkeit des Festes natürlich nichts zu tun: Transzendenz ist nicht seine Aufgabe. Das Staatsrecht interessiert sich für die gesell-schaftliche Funktion des Feiertags: "Synchrone Taktung des sozialen Lebens", heißt es hierzu in einem modernen Kommentar (5). Recht zeigt in dieser Zurückhaltung seine Würde. Es überträgt uns die Freiheit aber damit zugleich auch die Verantwortung, auf diesen Taktschlag hin die Musik her-vorzubringen und das Leben zu einem sozialen Leben werden zu lassen. Hat diese Musik Kraft, ist auch ihr Taktschlag gut. Wie wir feiern wirkt so auf das Recht zurück. Es kann den Feiertag zum Ausnahmetag erklären, wenn hieraus ein tragfähige Taktung entsteht. Es kann sie stützen, aber nicht garantieren. Bringen wir die Kraft aus dem Fest nicht auf, wird auch das Metronom ein Anderes Maß vorgeben - im Zweifel das der Wirtschaft.
Leben wir aber aus dem Fest, so leben wir in Gemeinschaft - auch mit den anderen Religionen. Der jüdische Sabbat, an dem das Leben still steht, selbst die Zahl der Schritte begrenzt ist, der Ramadan, an dem keine Nahrung aufgenommen, der Austausch zwischen Welt und ich unterbrochen wird oder das buddhistische Zeitrad, das sich um den unbewegten Nullpunkt als das eigentliche Zentrum der Zeit dreht - aus der Zeitlosigkeit zeitigen wir unser Leben. Gemeinsam. Vielleicht wird so auch Zeit, einmal nichtchristliche Festtage zum gesetzlichen Feiertag zu erklären. Viele Juden und Muslime - im übrigen zunehmend auch deutsche - warten darauf. Eine Gemeinsamkeit im Fest. Ein großer An-Spruch, aber wir wollen danach suchen: Das Brautfest der Menschen und Götter, von Mensch und Gott. Dann stehen wir im Leben fest.

(1)   Art. 140 GG i.V.m. Art. 139 WRV.
(2)   So der Titel des Essai d'anthropologie de la fête, von Jean Duvignaud, Paris 1977.
(3)   Aus: Vaterländische Gesänge, Der Rhein.
(4)   Bernhard Casper, Das Begehen des Festtages, in: ders., Das Ereignis des Betens, 1998, S. 106, 116.
(5)   M. Morlok, in. Dreier (Hrsg.), Grundgesetz, Bd. 3, Art. 140/Art. 139 WRV Rdnr. 10.

 
Prof. Dr. Hans-Eberhard Schurk
Elektrotechnik
Fachhochschule Augsburg

Strom des Lebens

"Und Gott der Herr pflanzte einen Garten in Eden gegen Osten hin und setzte den Menschen hinein, den er gemacht hatte. Und Gott der Herr ließ aufwachsen aus der Erde allerlei Bäu-me, verlockend anzusehen und gut zu essen, und den Baum des Lebens mitten im Garten und den Baum der Erkenntnis des Guten und Bösen. Und es ging aus von Eden ein Strom, den Garten zu bewässern, und teilte sich von da in vier Hauptarme."[1]

Die Begriffe "Strom" und "Leben" tauchen zum ersten Mal auf der zweiten Seite der Bibel auf; und zwar noch vor der Geschichte mit der Rippe.
Für mich war der Griff zur Bibel, um ehrlich zu sein, bereits der zweite Versuch, den Einstieg in das Thema "Strom des Lebens" zu finden. Zuerst wollte ich so an die Sache herangehen, wie man es von einem Elektroingenieur und Fachmann der New Technology erwartet: Über das Internet. Als ich den Suchbegriff "Strom des Lebens" durch diverse Suchmaschinen jagen ließ, meldeten sich über 45.000 Dokumente, in denen die Begriffe "Strom" und "Leben" in irgendeiner Beziehung zu einander standen. Mich in diese Informationsflut zu stürzen, wäre ein hoffnungsloses Unterfangen gewesen, ich wäre schmählich untergegangen. Und so habe ich mich auf die Tradition besonnen und angefangen, in der Bibel zu blättern. Dort bin ich auch schnell fündig geworden. Übrigens hätte ich auch von hinten anfangen können, denn auf der vorletzten Seite des Neuen Testamentes, in der Offenbarung des Johannes, findet man: "Und er zeigte mir einen Strom des lebendigen Wassers, klar wie Kristall, der ausgeht von dem Thron Gottes und des Lammes."[2]

I.

Wenn ich die Augen schließe und mir einen Strom vorstelle, denke ich an ein breites und träges Wasser, das in der Sonne ruhig durch blühende, fruchtbare Landschaften fließt und vielen Feldern und Gärten das kostbare Nass spendet. Wenn ich nicht so gut drauf bin, denke ich aber vielleicht auch an einen tosenden Fluss, der sich durch tiefe Schluchten gräbt, der in gefährlichen Strudeln rotiert und über wilde Stromschnellen schießt, der sich heftig an den Ufern reibt und die Spuren seiner Macht hinterlässt.
Fließendes Wasser bedeutet Dynamik und niemals Stillstand. Unbeirrbar nimmt es seinen Lauf, allerdings nur in eine Richtung, von der Quelle bis zur Mündung. Ein Strom assoziiert Gemeinschaft und Gemeinsamkeit, kein Wassertropfen ist isoliert und für sich allein, alle füllen das Flussbett; ein Flussbett, das sich durch die vereinte Kraft der Wassertropfen stetig weiter entwickelt, das sich nach den Gesetzen der Schwerkraft und der Strömungsmechanik in geologische Formationen schneidet, das aber auch in feste Bahnen gezwungen wird durch Begradigungen, Stauseen, Kanäle oder andere in den natürlichen Lauf eingreifende Maßnahmen.
Auch mein Leben ist nicht statisch: Von Geburt an immer im Fluss, in Entwicklung, dynamisch, schnell und turbulent, manchmal mehr, manchmal weniger; geprägt durch meine Umgebung; beeinflusst durch Randbedingungen, denen ich mich fügen muss und denen ich mich nicht entziehen kann. Die Zeit rückwärts laufen zu lassen kann ich nicht, gegen den Strom zu schwimmen, gelingt mir nur allzu selten, und ich muss aufpassen, in dem dabei entstehenden Strudel nicht unterzugehen. Ich fühle mich angetrieben und treibe selbst mit in einem Strom, im Strom meines Lebens.
Ich selbst bin nur ein winziger Wassertropfen zusammen mit Millionen anderer, die gemeinsam mit mir durch das Flussbett strömen, sich dem vorbestimmten Lauf nicht zu entziehen vermögen, ihn aber trotzdem formen und gestalten. Dies war immer so, zu allen Zeiten und in allen Epochen. Und dabei haben seit 2000 Jahren die christlichen Kirchen im Strom des Lebens eine nicht unerhebliche Rolle gespielt. Oftmals waren sie die treibende Kraft, im positiven wie im negativen Sinn. Sie haben Energien freigesetzt oder auch gebremst. Sie waren Maßstab für menschliches Tun und Handeln. Vor etwas mehr als 150 Jahren hat die einsetzende Industrialisierung das menschliche Leben gehörig durcheinandergewirbelt. Die technologische Fortschrittsidee hat Strömungen entstehen lassen, die in Bezug auf eine neue Lebensorientierung auch mit den christlichen Kirchen in Konkurrenz getreten sind.
Und daran ist nicht zuletzt der elektrische Strom schuld.

II.

Was ist überhaupt elektrischer Strom? Wenn ich diese Frage meinen Studenten in der ersten Stunde zu meiner Vorlesung "Grundlagen der Elektrotechnik" stelle, kommen unter anderem diese Antworten:
"Strom kommt aus der Steckdose"; "man kann Strom nicht sehen, nur an seinen Wirkungen erkennen"; "Strom ist die Bewegung von Ladungsträgern". Letztere Antwort tröstet mich immer, deutet sie doch darauf hin, dass der Physikunterricht in der Schule nicht ganz umsonst war.
Die Wirkungen, die wir offensichtlich mit dem elektrischen Strom in Verbindung bringen, sind Licht, Wärme und Bewegung. Strom stellt uns die Energie zur Verfügung, die uns das Leben leichter macht. Aber auch Radio, Fernsehen, Telefon und Computer funktionieren ohne Strom nicht. Und da wir das Radio nicht einschalten, um das Zimmer zu erwärmen, wird elektrischer Strom nicht nur mit Energie, sondern auch mit Informationsverarbeitung assoziiert.
Manche Energieversorger, wie die Stadtwerke Düsseldorf, formulieren es griffig: "Strom ist Leben!"[3]
Wie beim Wasser ist es beim elektrischen Strom ebenfalls so, dass Wirkungen durch Bewe-gung, durch Dynamik, entstehen. Der Stromkreis ist vergleichbar mit dem Flussbett: Wider-stände bestimmen die Stromstärke, elektrische oder elektronische Bauteile, wie Dioden oder Transistoren schalten Stromwege um und öffnen Schleusen, andere speichern Energie wie in einer Staustufe, um diese Energie zu einem anderen Zeitpunkt abzugeben und dadurch erst bestimmte Effekte zu ermöglichen. Elektrische Energie ist deswegen so attraktiv, weil sie aus jeder anderen Energieform erzeugt und in jede Energieform, die wir zum Leben benötigen, umgewandelt werden kann. Dies ist mit verhältnismäßig geringem technischen Aufwand möglich: So benötigt man höchstens drei Drähte, um elektrische Energie zu transportieren.
"Seit 50 Jahren ist die Elektricität herausgetreten aus dem Laboratorium des Gelehrten: die Erfindung der Telegraphie zeigte ihr das eigentliche Feld ihres Wirkens inmitten des täglichen Lebens; die Erfindung der modernen elektrischen Maschinen ließ sie auf diesem Felde mehr und mehr sich ausbreiten und festigen" findet man in einem Buch über Elektrizität aus dem Jahre 1885 von Max Wildermann [4]. Und weiter heißt es da: "Die Frage des elektri-schen Lichtes ist erst zur einen Hälfte gelöst. Die Beleuchtung von Straßen, Plätzen und öf-fentlichen Anlagen durch elektrisches Bogenlicht schreitet rüstig vorwärts; das Glühlicht, welches allein von den elektrischen Lichtarten für das Innere unserer Häuser sich eignet, ist vorläufig beschränkt auf Gebäude größeren Umfangs, weil diese für ihre zahlreichen Flammen sich den Luxus eines eigenen Motors und einer eigenen Lichtmaschine gestatten können." Übrigens auch heute wieder eine topaktuelle Frage. Und weiter heißt es an anderer Stelle: "Das jüngste Kind der Elektrotechnik ist die elektrische Übertragung der Kraft. Sie hat bisher die wenigsten greifbaren Resultate aufzuweisen, und doch steht es außer Frage, dass sie nach kürzerer oder längerer Zeit eine radikale Umwälzung aller Betriebsverhältnisse zur Folge haben wird." Das Buch erscheint zu einer Zeit, in der die Starkstromtechnik gerade Laufen lernt und die "Elektrotechnik", ein Begriff, der von Werner Siemens geprägt worden ist, ihren 6. Geburtstag feiert.
Als der amerikanische Geschichtsphilosoph Henry Adams im Jahr 1900 die Pariser Weltaus-stellung besucht, ist er vom Anblick der großen Dynamomaschinen so beeindruckt, dass er in ihnen nicht nur das Symbol unendlicher Kraft sieht, sondern auch erwartet, dass durch ihr Wirken die Welt verändert werden könnte. Er ist sogar der Meinung, dass eine historisch wirksame Energie, nämlich die des Christentums durch eine andere, neue Energieform abgelöst werde. Den gewaltigen Anstieg der Energieerzeugung, den das 19. Jahrhundert mit sich gebracht hat, sieht er als Ursache für weitreichende Veränderungen im Gefüge der Zivilisation. "Die Menschen werden von Jahr zu Jahr immer mehr von Kräften abhängig, die in zent-ralen Kraftwerken angesiedelt sind. Es ist nicht länger ein Kampf zwischen Menschen, son-dern zwischen Motoren, die die Menschen antreiben." So nachzulesen in dem Kapitel "Die Dynamomaschine und die hl. Jungfrau" seiner 1907 erschienenen und 1919 mit dem Pulit-zerpreis ausgezeichneten Autobiographie.[5]
Für Adams ist am Anfang des 20. Jahrhunderts ein Zustand erreicht, der ihn vom Ende der "Kontinuierlichkeit" sprechen lässt. Um Begriffe aus der Physik zu verwenden: Adams sieht die Welt als thermodynamisches System wachsender Entropie, er sieht die Menschen getrieben in einer Welt, in der katastrophale Unfälle den Grad der Beschleunigung anzeigen. Auch wenn Adams die Situation übersteigert und übertrieben dargestellt hat, lässt sie das Phantasiepotenzial erahnen, das die Elektrizität am Anfang des 20 Jahrhunderts initiiert hat.
Wie stark die Dynamik der damaligen Zeit auch auf andere Bereiche gewirkt hat, sieht man um 1900 überall. Strömungsmetaphern tauchen in den verschiedensten kulturellen Kontexten auf; sie bezeichnen das ständige Sich-Verändern der Wahrnehmung, den Fluss der Dinge und Empfindungen. In der Malerei wird vom Impressionismus alles fest Umrissene aufgelöst, man denke an die dynamisch wirkenden Bilder von Monet oder gar an die bedrohlich in Strudeln aufgehenden Werke von Van Gogh. Die Musik beginnt ebenfalls, starre und festgefahrene Strukturen aufzulösen. Die Architektur lässt Statisches weich und fließend werden. Bewegung und Dynamik setzen neue Akzente: Musterbeispiele dafür sind die Bauwerke des großen kata-lanischen Architekten Gaudí, dessen 150. Geburtstag sich heuer jährt.
Zurück zur Technik. Für uns in der sogenannten zivilisierten Welt ist Strom aus der Steckdose heute so selbstverständlich, dass wir uns nicht einmal mehr vorstellen können, wie es anders sein könnte. Im Moment verspüren wir auch keinen besonderen Anlass, darüber nachzuden-ken, woher die elektrische Energie kommt. Dass die Primärenergie, die wir zur Stromerzeugung benötigen, begrenzt ist oder nur mit hohem Risiko und großem technischem Aufwand verarbeitet werden kann, lässt uns derzeit ziemlich kalt. Alternativen zur konventionellen Stromerzeugung setzen sich nur allzu langsam durch. In Entwicklungs- und Schwellenländern, in denen die flächendeckende Anwendung der Elektrizität noch in den Kinderschuhen steckt, wird unser westliches System kopiert, ohne nach echten Alternativen zu suchen. Für die Energieversorger scheint im Moment nur schneller Profit im Vordergrund zu stehen. Auch könnte man den Eindruck gewinnen, dass die Dynamik und Aufbruchstimmung, wie man sie in der elektrischen Energietechnik vor 100 Jahren verspürt hat, verpufft und in einer konser-vativen und eher bremsenden Grundhaltung aufgegangen ist.
Wie sehr wir auf die elektrische Energie angewiesen sind, wird uns erst bei einem Stromausfall wirklich bewusst. Wir können uns nicht einmal mehr eine Tasse Kaffee kochen; wenn wir Glück haben, haben wir wenigstens eine Kerze im Haus, um nicht im Dunkeln sitzen zu müssen. Die Lebensmittel, die wir in der Gefriertruhe aufbewahren, sind verdorben. Was wir aber fast noch als schlimmer empfinden: Wir bekommen keine Informationen über Radio, Fernse-hen oder Telefon. Und das erst macht uns so richtig hilflos.
Und so kann man eigentlich nichts dem etwas spöttischen Slogan der Elektrizitätswirtschaft entgegensetzen, der da lautet: "Im Prinzip geht alles, aber ohne Strom läuft nichts!"[6]

III.

Manchmal läuft aber auch etwas über. Zum Beispiel Informationen, mit denen uns die elekt-ronischen Medien von allen Seiten übergießen, und dies in einem vorher nie gekannten Ausmaß.
Elektrischer Strom als Träger von Informationen ist schon lange bekannt, länger als die An-wendung der Elektrizität in der Energietechnik. Strom ist in nahezu idealer Weise geeignet, Informationen zu übertragen. Durch entsprechende Codierung, wie "kurz-kurz-lang" im Mor-sealphabet oder wie "Strom- kein Strom- Strom" im Personalcomputer können unendlich viele Informationen schnell und mit sehr einfachen technischen Mitteln verarbeitet und übertragen werden. Dies umso mehr, als dass sich auch die drahtlose Informationsübertragung durch elektromagnetische Wellen immer weiter durchsetzt. Die letzte Errungenschaft auf diesem Gebiet ist das Handy, das für uns selbstverständlich geworden ist und uns den Segen der unbeschränkten individuellen kommunikativen Mobilität ermöglicht.
Bei Wildermann heißt es 1885: " Ein dichtes Telegraphennetz überdeckt heute ganz Europa und die civilisierten Länder der übrigen Weltteile; von Tag zu Tag schürzen die Maschen dieses Netzes sich enger und enger, und in kleinere Orte, die von seinen Fäden noch unberührt blieben, sendet es telephonische Ausläufer, um keinen die Wohlthat des schnellen Verkehrs vermissen zu lassen."[7]
Das WorldWideWeb lässt bereits grüßen. Letzteres ist dadurch möglich geworden, dass in den letzten 50 Jahren die elektronische Halbleitertechnologie unglaubliche Fortschritte gemacht hat. Dabei ging es Schlag auf Schlag: Die Entwicklung des ersten Transistors 1948 in den Bell-Laboratorien durch Bardeen, Brattain und Shockley, die Erfindung des ersten integrierten Schaltkreises durch Texas Instruments im Jahre 1960 und die Erfindung des ersten Mikroprozessors im Jahre 1971 durch Intel gelten als Meilensteine dieser Entwicklung. Immer mehr und immer komplexere Funktionen konnten immer preiswerter realisiert werden. Für die Arbeitswelt bedeutete dies enorme Änderungen und Umstrukturierungen. Um nur ein Beispiel zu nennen: Die Automatisierungstechnik, eine Synthese aus Energie- und Informationstechnik, nahm furiosen Einzug in die Produktionsstätten und kostete dort viele Arbeitsplätze; Arbeitsplätze, die freilich an anderer Stelle wieder entstanden, da aber für andere und anders ausgebildete Menschen. Dieser Prozess ist nach wie vor im Fluss und natürlich noch nicht abgeschlossen. Und so wird die Elektronik für die einen zum Segen, für die anderen zum Fluch. Sie ist durch nichts aufzuhalten. Wachsender Wettbewerbsdruck, der damit verbundene Preisrückgang sowie geschicktes Marketing tragen das ihrige dazu bei. Aber dies ist nicht unbedingt ein typisches Merkmal unserer Tage: "Die neue Elektrotechnik arbeitete nach dem für die damalige Technik neuen Grundsatz: nicht warten bis die Bedürfnisse und Kunden kommen, sondern immer neue Bedürfnisse wecken und vervielfältigen, die Kunden selbst aufsuchen, anregen, heranziehen, den Verbrauch heben, Aufträge auf Massenware hereinbringen und Absatz für den Strom schaffen, für den elektrischen wie für den Warenstrom, um den Großbetrieb zu nähren, die immer weiter verbilligende Großfabrikation."[8] Soweit die Beschreibung der Wirtschaftsphilosophie von Emil Rathenau, dem Gründers der AEG, in der Biografie von Alois Riedler aus dem Jahre 1916. Den Bedarf zu wecken, ist nach wie vor in der Branche hoch aktuell und geradezu zum Motor geworden. Mittlerweile sind die Entwicklungszeiten auf weniger als ein Jahr für neue elektronische Produkte im sog. Consumermarkt geschrumpft. Dadurch müssen zur Erzielung hoher Renditen in immer kürzeren Zeitabständen Unterhaltungsbedürfnisse geweckt werden, der Spieltrieb in unserer fun-orientierten Gesellschaft muss nicht nur bei Kindern und Jugendlichen angeregt werden, um ihn schließlich mit Profit befriedigen zu können.
So ist es heute, 30 Jahre nach Senden der ersten Email, üblich, sich per Handy eine SMS zu senden, um sein Rendezvous zu vereinbaren oder sich in der Disco gegenseitig anzubaggern. Spiele werden per Handy "gedownloaded". Auch wenn das Interesse an der Technik bei unseren Kindern in den letzten Jahren massiv gesunken ist, der Umgang mit den neuen Technologien ist für sie selbstverständlich geworden. Elektronik hat sozusagen den Spielkameraden im Sandkasten abgelöst, der Bildschirm ist zum direkten Kommunikationspartner geworden. Die Kommunikation ist virtuell und unpersönlich, die Distanz zwischen den einzelnen Menschen vergrößert sich, obwohl die Kommunikationsmöglichkeiten immer weiter perfektioniert werden.
Insgesamt jedoch lässt sich nicht verleugnen, dass die Welt näher zusammengerückt ist. In Politik und Wirtschaft war es schon immer wichtig, die richtigen Informationen zur richtigen Zeit und möglichst noch vor dem Gegenspieler zu bekommen, um daraus Vorteile zu erzielen. Meister dieses Metiers war Jakob Fugger, wie wir hier in Augsburg gut wissen. Heute sind alle Informationen, die irgendwo veröffentlicht werden, zur gleichen Sekunde an jedem Ort der Welt verfügbar. Welche Reaktionen dies an den Börsen der Welt hervorrufen kann, haben wir im vergangenen Jahr erleben können. Alle Menschen wollen - wie die Fugger vor 500 Jahren - auf Grund ihrer Informationen dem Wettbewerb zuvorkommen. Heute allerdings handeln alle gleichzeitig und setzen damit eine gegenläufige Spirale in Bewegung. Selbstverständlich liegt in diesem Massen-Verhalten auch ein Reiz, bewusst falsche Informationen zu streuen, um selbst Vorteile daraus zu ziehen. Auch dafür haben wir in Augsburg Beispiele.
"Die fast unerschöpfliche Fähigkeit, mit Hilfe der Elektronik Informationen zu speichern und wieder abzurufen, hat eben das Problem gerade nicht gelöst, wie man im richtigen Augenblick die richtige Information erhält und wie man sie dann sinnvoll verwertet. Von entscheidender Bedeutung sind die Strukturen des Umgangs mit der Informationsflut", lässt uns Edmund Stoiber in seiner Eröffnungsrede zum BayernOnline Kongress 2001 wissen.[9] Und er fährt fort: "In unserer "informierten Gesellschaft" ist gegenwärtig deutlich zu beobachten, wie leicht der Überfluss an Informationen in ein Defizit an Wissen umschlagen kann, wie Reichtum so zum Mangel werden kann. Ein funktionaler Analphabet, der zwar weiß, wie er alle denkbaren Informationen abrufen kann, aber dann nicht in der Lage ist, ihnen einen Sinn zuzuordnen, der wird gewiss auch in der Wissensgesellschaft hilflos vor seinem Monitor sitzen bleiben."
Sozusagen vom User zum Looser.
Bei den elektronischen Informationstechnologien können wir heute die Dynamik in mindestens gleichem Maße miterleben, wie sie die elektrische Energietechnik um 1900 ausgelöst hat. Bedenkt man, welche Szenarien damals angedacht und wie sie durch die Realität nicht nur eingeholt, sondern überholt worden sind, können wir eigentlich nur erahnen, was uns die Zukunft bringen wird. Aber heute wie damals wird unsere Phantasie nicht ausreichen vorherzusagen, wohin wir treiben werden. Dass dabei auch Ängste eine große Rolle spielen, ist nur natürlich.

IV.

Der Strom des Lebens fließt unaufhaltsam weiter. Er steht als Bild für die Weiterentwicklung der Zivilisation, die in Bewegung geraten ist, deren gewohnte Ordnungen einem Wandel unterliegen, die mit neuen Potenzialen umgehen und neue Verhaltens- und Organisationsmuster entwickeln muss.
So schwimmen wir zwar nach wie vor im großen Strom mit. Allerdings habe ich den Eindruck gewonnen, dass hie und da Stromschnellen auftauchen, die heftige Turbulenzen erzeugen. An manchen Stellen glaube ich, Gischt und Schaum zu sehen: Einzelne Tropfen bleiben dabei auf der Strecke und werden zerrieben. Überall lauern tiefe Wirbel, unterschiedlichste Strömungen konkurrieren miteinander. Das Mitfließen im Strom ist für alle hektischer geworden; jeder einzelne steht sozusagen unter Strom, muss sehen, wo er bleibt, und wie er die nächste Stromschnelle heil überwinden kann.
Die christlichen Kirchen, die seit 2000 Jahren eine wesentliche Rolle im Strom des Lebens gespielt haben, laufen Gefahr, in der von allen Seiten auf den Menschen eindrängenden Informationsflut nicht mehr bemerkt zu werden und dadurch ihre führende und prägende Rolle zu verlieren. Für junge Leute ist es mittlerweile äußerst schwierig geworden, sich an irgendwelchen Werten zu orientieren. Die Grenzen zwischen Information und Infotainment sind fließend geworden. Es wird schwieriger zu unterscheiden zwischen "virtual" und "reality". Mögen Computergenerationen in immer kürzerem Abstand aufeinanderfolgen, mögen Warenumlaufzeiten und Produktionszyklen immer kürzer werden, kein Kind und kein Jugendlicher wird deswegen schneller erwachsen. Es braucht eben seine Zeit, bis der Mensch fertig ist. Hier lassen sich die Entwicklungszeiten nicht verkürzen. Und da sehe ich für die Kirchen durchaus eine Chance, wieder mehr wahrgenommen zu werden, wenn sie sich um den Menschen bemühen, ihn ansprechen, persönlich und nicht virtuell, wenn sie klar machen können, dass der Mensch mit seinen Bedürfnissen und Nöten für sie im Mittelpunkt steht. Dass dies unter den gegebenen Randbedingungen nicht gerade leicht ist, weiß ich auch. Präsenz im Internet ist in der heutigen Zeit bestimmt nötig, aber mit Sicherheit nicht das Kerngeschäft der Kirchen.
Vor einigen Jahren war ich einmal am Sambesi im südlichen Afrika. Der riesige Strom fließt behäbig dahin, lässt sich kaum bremsen durch das Baden eines schläfrigen Flusspferdes, lässt sich nicht stören durch das Dösen einiger Krokodile, die auf einen unvorsichtigen Ruderer lauern; eine kleine Stromschnelle hier oder dort lockert den ruhigen Lauf eher auf, als dass sie ihn behindern oder in seinem Lauf verändern könnte. In der Ferne jedoch steht eine riesige weiße Wolke über dem Fluss, eine Wolke, die den großen Absturz ankündigt. Je näher der Sambesi dem Fall kommt, um so unruhiger und hektischer wird er, bis er sich schließlich mit donnerndem Tosen und gewaltiger Gischt in die Schlucht stürzt. Danach fließt er wieder ruhig und entspannt weiter.
Auch wenn die Viktoriafälle ein grandioses Schauspiel der Natur sind, wünsche ich sie mir nicht in meinem Lebensstrom. Ich sehe allerdings schon die Hektik bei mir und um mich herum. Manchmal glaube ich auch, schon in der Ferne eine kleine Wolke ausmachen zu können. Die Frage, die ich mir dann stelle, ist die: Kündigt sie den Absturz an oder ist sie nur eine normale Gewitterwolke über einem ruhig dahin fließenden Strom? Ich weiß es nicht. Ich weiß auch nicht, ob ich selbst etwas dazu tun kann, den Lauf des Stromes zu beeinflussen. Ich weiß nur, allein kann ich es mit Sicherheit nicht. Vielleicht können wir es gemeinsam. Aber wahrscheinlich auch nicht ohne Hilfe.
"Und er zeigte mir einen Strom des lebendigen Wassers, klar wie Kristall, der ausgeht von dem Thron Gottes und des Lammes. Auf beiden Seiten des Stromes mitten auf der Gasse ein Baum des Lebens, der trägt zwölfmal Früchte und bringt seine Früchte alle Monate, und die Blätter des Baumes dienen zur Heilung der Völker. Und es wird nichts mehr unter dem Bann sein. Und der Thron Gottes und des Lammes wird darinnen sein, und seine Knechte werden ihm dienen und sehen sein Angesicht, und sein Name wird an ihren Stirnen sein. Und wird keine Nacht mehr sein, und sie werden nicht bedürfen einer Leuchte oder des Lichts der Sonne; denn Gott der Herr wird sie erleuchten, und sie werden regieren von Ewigkeit zu Ewigkeit."[10]
Vielleicht ist Gott ja auch so etwas wie elektrischer Strom: Er ist dynamisch und lebendig, ich kann ihn nicht sehen, aber ich kann ihn spüren. Er macht hell, wenn die Nacht um mich kommt. Wenn er ausfällt, werde ich hilf- und hoffnungslos. Er gibt mir Botschaften, mich mit Informationen überfluten wird er freilich nicht.
Allerdings kommt Gott nicht aus der Steckdose, er kommt aus dem Herzen.

Augsburg, 20. Januar 2002

Prof. Dr.-Ing. Hans-Eberhard Schurk
Fachhochschule Augsburg

Anmerkungen:
[1] 1. Buch Mose 2, 8 - 10
[2] Die Offenbarung des Johannes 22, 1
[3] http://www.swd-ag.de/privatgewerbe/neuanschluss.htm
[4] Max Wildermann: Elektricität und ihre wichtigsten Anwendungen, Freiburg, 1885, S. VI
[5] Zitiert nach Klaus Plitzner (Hrsg.): Elektrizität in der Geistesgeschichte. Christoph Asen-dorf: Avantgarde und Energie, Bassum 1998, S. 183
[6] z.B.:http://www.hvv-heidelberg.de/site/SWH/SWH100/sw100-3.htm
[7] Wildermann, S. VI
[8] Alois Riedler, Emil Rathenau und das Werden der Großwirtschaft. Berlin 1916, S. 122
[9] http://www.bayern.de/Presse-Info/Reden/2001/07-09.html
[10] Die Offenbarung des Johannes 22, 1-5

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